8 Integralhelme in der Preisklasse von 200 bis 450 Euro
Sind Kopfschützer auch Gehörschützer?
Beileibe nicht!
Das beweist der große Helmtest des ADAC, bei dem acht Integralhelme der Mittelklasse auf Herz und Nieren geprüft wurden
Geruhsames Gleiten oder Biken mit Biss?
Dampf mit Dämpfung oder Kraft mit Krach?
Die Frage ist unter den Motorradfahrern nicht entschieden.
Noch nie hat das ADAC-Technikzentrum gravierendere Unterschiede bei der Akustik-Prüfung festgestellt.
Der Achter-Vergleich deckte es im Windkanal auf:
Die leisen Helme sind noch leiser geworden, die lauten sind laut geblieben.
Ist doch prima, mag man denken. Wer den akustischen Kick braucht, greift zum Helm für die ganz Harten, wer in geräuschmäßige Quarantäne gehen will, stülpt sich halt einen Leisetreter über.
Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Abgesehen davon, dass auch unter leisen Schalen das nötige akustische Motorrad-Feeling keineswegs fehlt, gibt es objektive Gründe dafür, die Ohren beim Biken zu schonen (siehe Expertenmeinung). Für den ADAC ist die Forderung an die Hersteller deshalb eindeutig: Die Helme müssen leiser werden.
Schuberth und BMW (bei Herstellung und Entwicklung Kooperationspartner) zeigen, dass dies technisch möglich ist. Ihre Modelle S1 und SportIntegral wurden wegen des gravierenden Vorsprungs in puncto Geräuschdämpfung deshalb auch klare Testsieger und erhielten das Prädikat »besonders empfehlenswert«.
In nackten Zahlen: Schuberth und BMW wurden bei Tempo 100 mit jeweils rund 82 db(A), bei Tempo 130 mit jeweils rund 88 dB(A)Schalldruck am Ohr gemessen. Der HJC AC-11 (89 und 95 Dezibel), Nolan N 83 Classic Plus (90/97) und Shark RSX (92/98) bilden in Sachen Lärm das Mittelfeld.
Uvex Boss 4000 (95/100), Suomy Ventura (97/104) sowie Shoei XR-1000 (98/104) sind am lautesten.
Die technischen Messwerte wurden durch subjektive Bewertungen während längerer Praxisfahrten überwiegend bestätigt. Einhelliges Urteil der Testfahrer: Unter den leisen Helmen fährt’s sich deutlich entspannter; hat man sich ans niedrigere Geräuschniveau erst einmal gewöhnt, bleibt der Fahrspaß keineswegs auf der Strecke.
Wie schaffen Schuberth und BMW, wovon die Mitbewerber teils noch meilenweit entfernt sind? Zum einen durch konsequente (und teure) Entwicklungsarbeit im Windkanal. Ausgefeilte Aeroakustik reduziert die Windgeräusche entscheidend. Zum anderen haben beide Anbieter die Kinnbereiche und die seitlichen Flanken von unten mit Krägen »abgedichtet«. Dadurch werden Außengeräusche effektiv ferngehalten.
Nachteil: Beide Helme lassen sich wegen des engeren Einstiegs und erhöhten Reibungswiderstandes etwas schwerer als die Konkurrenzprodukte auf- und absetzen, was sich auch in einer Abwertung beim Prüfpunkt »Helmabnahme nach Unfall« niederschlägt.
Bleibt in Sachen Lärm noch eine Frage abzuklären: Warum nicht einfach mit Ohrstöpseln fahren? Hier bewegen sich Motorradfahrer nach Auffassung der ADAC-Verkehrsjuristen in einer rechtlichen Grauzone: Wer seine Gehörgänge so hermetisch abdichtet, dass er z.B. kein Rettungsfahrzeug mehr hört, verstößt gegen § 23 der Straßenverkehrsordnung, wonach der Fahrer für »unbeeinträchtigtes Gehör« verantwortlich ist.
Zu den erfreulicheren Seiten des ADAC-Tests: In den meisten anderen Kategorien des Herz- und Nieren-Checks boten die Helme ein relativ geschlossenes Bild. Das gilt insbesondere für den Unfallschutz. Wieder einmal mussten die Schalen harte Schläge auf dem Flachamboss, auf dem (bordstein-ähnlichen) Kerbstone-Amboss sowie brachiale Kinnschläge ertragen. Beruhigend: Selbst die Helme mit den »schlechtesten« Ergebnissen blieben innerhalb der ECE-Norm.
Klarer Sieger in dieser Königsdisziplin war der Shoei XR-1000.
Auch der Abstreiftest wurde von allen Kandidaten bestanden; am wenigsten (4 Grad) verdrehte sich der Schuberth auf dem Prüfkopf, am meisten (28 Grad) der Suomy.
Alle Visiere zeigten sich beim Durchdringungstest genügend stabil.
Ebenso wichtig wie der passive Unfallschutz ist beim Helm die aktive Sicherheit und damit in erster Linie die gute Sicht. Im Vergleich zum letzten Helmtest 2002 zeigten sich die meisten Visiere qualitativ deutlich verbessert. Im Fahrversuch und im Labor mit wechselnden Temperaturen und viel Wasserdampf mussten die transparenten »Augenklappen« ihre Beschlagresistenz unter Beweis stellen.
Bestens schnitten Uvex (mit Zweischeiben-Visier) sowie Nolan und Shoei (mit Pinlock-Visieren) ab.
Schuberth und BMW konnten mit wirksamer Visier-Beschichtung überzeugen: Bei ihnen mutiert Beschlag auf der Innenseite binnen Sekunden zu einem dünnen, durchsichtigen Wasserfilm, der allerdings gelegentlich zu leichten optischen Verzerrungen führen kann.
Gut machte sich auch die Anti-Beschlag-Folie des HJC, die beiden anderen Kandidaten konnten hier nicht überzeugen.
Klar ist: Gerade bei ungünstigen Witterungs- und Lichtverhältnissen dürfen Helme die Fahrer nicht im Nebel stehen lassen. Alle Hersteller sollten deshalb nach Meinung des ADAC ihre Helme serienmäßig mit wirksamen Anti-Beschlag-Systemen ausstatten.
Gut meisterten fast alle Visiere den gnadenlosen Kratzfestigkeits-Test unter einer langanhaltenden Quarzsand-»Dusche«.
Hier patzte nur der Shark, dafür aber gründlich.
Was den Testern sonst noch auffiel:
Fummelige Kinnriemen-Verschlüsse sorgen auch bei modernen Helmen für überflüssiges Ungemach. Nolan zeigt mit seinem hervorragenden Microlock-System, wie simpel ein sicherer Verschluss konstruiert sein kann. Erstaunlich ist der Einfallsreichtum vieler Hersteller in Bezug auf Lüftungsschlitze, -kläppchen und sonstige Öffnungen.
Problem: Die meisten von ihnen sind völlig wirkungslos.
Wirklich brauchbare (und einstellbare) Kopfbelüftungen fanden die Tester nur bei Schuberth und BMW.
Eine weitere Frage der Prüfer: Warum eigentlich werden einige Helme innendrin subjektiv immer kleiner? Hinter und unter den Visieren sollte genügend Platz für jede Nase und jedwedes Kinn sein.
Noch ein paar Tipps des ADAC zum Helmkauf: Auch wenn’s simpel klingt - der »Hut« muss passen. Er soll fest sitzen, ohne zu drücken, wobei zu beachten ist, dass die Innenausstattung im Laufe der Zeit noch nachgibt. Das Visier sollte unbedingt beschlagfrei und möglichst kratzfest sein. Zeit für eine längere Testfahrt muss ein Käufer in jedem Fall mitbringen, um Geräusch und Aerodynamik auf der eigenen Maschine beurteilen zu können. Brillenträger sollten testen, wie gut sich die Brille »einfädeln« lässt; modische Titan-Gestelle gebärden sich da mitunter zu flexibel.
Und schließlich: Eine helle, leuchtende Helmfarbe sorgt für ein ansehnliches Plus an Sicherheit.
Quelle: www.adac.de