Das Video-Portal YouTube muss einige von der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA genannte Musikvideos aus seinem Angebot entfernen. Das hat das Hamburger Landgericht am Freitag in erster Instanz entschieden. Bei zwölf beanstandeten Titeln folgte das Gericht in sieben Fällen dem Antrag der GEMA. Die Richter verhängten bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft. Das Urteil bezog sich lediglich auf die von der GEMA benannten Musikstücke und geht nach Angaben des Gerichts nicht darüber hinaus. Dem Urteil wird jedoch grundlegende Bedeutung für das Urheberrecht im Internet beigemessen. Ob einer der Prozessbeteiligten Revision einlegt, ist unklar.
Zu den betroffenen Liedern gehören "Rivers of Babylon" von Boney M. und "Lieder die wie Brücken sind" von Rolf Zuckowski.
Streit über Verwertungsrechte
Hintergrund ist ein Streit um Verwertungsrechte zwischen YouTube und GEMA - der "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte". Die GEMA kassiert nicht nur bei Live-Auftritten und CD-Produktionen Gebühren, um sie an Künstler und Rechteinhaber von Musikstücken weiterzugeben, sondern - und das immer offensiver - ebenfalls im Internet. Auch hier gelte die strenge GEMA-Richtlinie, die Sprecherin Gaby Schilcher so umriss: "Wenn Sie das geistige Eigentum eines anderen Menschen benutzen und ihn nicht fragen und nicht bezahlen, dann ist das eine Straftat. Wenn wir von der GEMA das erfahren, bekommen Sie eine sogenannte Schadensrechnung. Das heißt, Sie würden das Doppelte des ursprünglichen Vergütungssatzes bezahlen."
YouTube muss für Verhalten der Nutzer mit haften
In den fünf Fällen, in denen das Hamburger Landgericht die Klage der GEMA abwies, geschah dies aus formalen Gründen. Es habe dafür keine Grundlage mehr gegeben, die Songs seien bereits aus dem Netz. Und es sei nicht ersichtlich gewesen, dass entsprechende Videos erneut auf der Plattform landen. Das Gericht befand aber auch, dass die Google-Tochterfirma YouTube eine sogenannte Störer-Haftung habe, also für das Verhalten seiner Nutzer mitverantwortlich gemacht werden kann.
Worum geht es beim GEMA-YouTube-Streit?
Fast zwei Jahre dauerte der Rechtsstreit zwischen der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA und der Musikvideoplattform YouTube. Nun hat das Hamburger Landgericht sein Urteil gesprochen. Doch wer ist eigentlich die GEMA und worum geht es bei dem Streit? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
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Wer ist die GEMA?
Die bereits 1903 gegründete GEMA - "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" - vertritt als Verwertungsgesellschaft die Nutzungsrechte ihrer Mitglieder - das heißt von Komponisten, Textern und Musik-Verlegern, die ihre Rechte als Urheber von Musikstücken geltend machen wollen. Sie selbst sieht sich auch als "Schutzorganisation für den schöpferischen Menschen". Auch in anderen Ländern gibt es solche Verwertungsgesellschaften, beispielsweise ist in Österreich die AKM zuständig und in der Schweiz die SUISA.
Wie viele Mitglieder hat die GEMA?
Die GEMA hat 64.000 Mitglieder in Deutschland. Zudem vertritt sie über Verträge mit ausländischen Verwertungsgesellschaften auch die Rechte von mehr als zwei Millionen ausländischen Berechtigten, wenn deren Werke in Deutschland verkauft oder gespielt werden.
Von wem bekommt die GEMA Geld?
Die GEMA nimmt Geld für alle Verwertungen von Musik, also für den Verkauf von CDs oder Musikdownloads, aber auch von Radiosendern, Kneipenbesitzern, Festveranstaltern etc. für das Abspielen von Musik.
Wie viel Gewinn macht die GEMA?
Nach eigenen Angaben macht die GEMA keinen Gewinn, alle Einnahmen - abzüglich der Verwaltungskosten - werden an die Urheber ausgeschüttet, deren Werke genutzt wurden. Laut Geschäfstbericht betrug der Ertrag im Jahr 2010 rund 863 Millionen Euro, 22 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Worum geht es bei dem Streit mit YouTube?
Im März 2009 lief eine vorläufige Lizenzvereinbarung zwischen der GEMA und YouTube aus. Danach konnten sich die GEMA und YouTube nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Daher hat YouTube nach Ansicht der Verwertungsgesellschaft nicht die Lizenz, um bestimmte Musiktitel auf seiner Plattform zur Verfügung zu stellen. Die GEMA möchte, dass YouTube den seit Dezember geltenden Tarif für werbefinanzierte Streamingdienste zahlt - so wie es auch der Internetmusikanbieter Simfy tut. Kosten würde das YouTube entweder 10,25 Prozent der Nettowerbeeinnahmen oder, je nach Vertragsschließung, zwischen 0,026 Ct und 0,6 Ct pro gestreamtem Video. Ohne einen neuen Vertrag will die GEMA die Sperrung der betroffenen Videos erreichen.
Warum will YouTube den Tarif nicht zahlen?
YouTube-Besitzer Google spricht zum einen davon, dass das ein Verlustgeschäft wäre. Zum andern argumentiert YouTube, dass man nicht für die eingestellten Videos verantwortlich sei, sondern lediglich den Nutzern eine Plattform biete, um Videos hochzuladen. Das Landgericht Hamburg befand nun, dass die Google-Tochterfirma eine sogenannte Störer-Haftung habe, also für das Verhalten seiner Nutzer mitverantwortlich gemacht werden könne. Youtube muss nun zwei Filter installieren, um das Hochladen von mehreren Titeln zu vermeiden, deren Rechte von der GEMA vertreten werden.
Wie sah der alte Vertrag zwischen Gema und YouTube aus?
Das ist nicht bekannt, da beide Seiten über die 2009 ausgelaufene Vereinbarung Stillschweigen vereinbart hatten.
Gab es solch einen Streit mit YouTube auch in anderen Ländern?
Ja, allerdings haben die anderen europäischen Länder bereits eine vertragliche Einigung mit YouTube gefunden. Diese sieht vor, dass YouTube eine prozentuale Abgabe seiner Werbeeinnahmen leistet. Die GEMA erachtet die dort getroffene Einigung aber als für die Künstler nicht ausreichend.
Mussten Künstler in Deutschland bislang also hinnehmen, dass ihre Songs gratis auf YouTube angeboten werden?
Nein, die Urheber können sich für jedes urheberrechtlich geschützte Video, das auf YouTube gezeigt wird, bei der Internetplattform beschweren, dann wird das Video entfernt.
Wie viele Songs sind von der Klage eigentlich betroffen?
Vordergründig nur zwölf Songs. Diese sind aber stellvertretend für alle in Deutschland auf YouTube angeklickten, urheberrechtlich geschützten Werke. Ausgewählt wurden die zwölf Lieder laut GEMA lediglich, um einen überschaubaren, repräsentativen Querschnitt aus dem Repertoire der Verwertungsgesellschaft zu geben, der einen Gerichtsprozess ermöglicht.
Um welche Songs ging es jetzt konkret?
Folgende Werke - genannt sind jeweils Titel, Interpret und Erscheinungsjahr - waren Gegenstand der GEMA-Klage: "Zwei kleine Italiener", Conny Froboess 1962; "Akropolis adieu", Mireille Mathieu 1971; "Ritmo de la noche", Chocolate 1990; "Sex An Der Bar", Alex C. feat. Y-Ass 2008; "Night in Motion", U96 1993; "In The Shadow, In The Light", Enigma 2003; "Lieder, die die Liebe schreibt", Nana Mouskouri 1978; "I feel like you", X-Perience 2007; "Club Bizarre", U96 1995; "Rivers of Babylon", Boney M. 1978; "Lieder, die wie Brücken sind", Rolf Zuckowski 1982; "Im Kindergarten", Rolf Zuckowski 1994
Die Fragen und Antworten wurden zusammengestellt von Johanna Bartels, tagesschau.de